Flüstern – Die Macht der leisen Töne

Nicht zuletzt die Redewendungen: „Das kann ich dir flüstern!“ oder „dem flüstere ich was!“ deuten bereits daraufhin, dass die vermeintlich leisen Töne scheinbar eine spezifische Kraft und Intensität, ja, sogar eine Art von Macht innehaben.

Aber was hat es mit dem Flüstern auf sich? Können nur wir Menschen auch ohne Ton sprechen? Hat Flüstern einen besonderen Effekt?

Gehen wir dem Flüstern auf den Grund.

Kernmerkmal des Flüsterns ist das stimmenlose Sprechen. Es werden also keine Schwingungen im Kehlkopf erzeugt, welcher den Klang der Stimme bildet.

Flüstern ermöglicht den Austausch, auch wenn unsere Umgebung Stille einfordert. Wir flüstern zum Beispiel, wenn unser Kind gerade eingeschlafen ist oder beim heimlichen Austausch während einer Klassenarbeit.

Auch Tiere kommunizieren leise. In der Meeresforschung gibt es die Erkenntnis, dass Buckelwale flüstern können, wenn es die Situation erfordert. Vom tonlosen Sprechen der Körpersprache mal ganz abgesehen.

Es handelt sich bei den Tieren aber tatsächlich „nur“ um ein leises Kommunizieren, wirklich flüstern, also stimmenlos Sprechen, kann nur der Mensch. Seine filigrane Gesichtsmuskulatur macht es möglich.

Grundsätzlich könnte man das Flüstern also als zartes, leises, stimmenloses Sprechen definieren. Wie kommt es dann, dass es in den benannten Sprichwörtern eher etwas Starkes, Kräftiges, Untermauerndes bedeutet?

Schließlich sagt „dem flüstere ich was“ so etwas aus wie „dem sag ich aber kräftig meine Meinung“, und „das kann ich dir flüstern“ bedeutet so viel wie „darauf kannst du dich verlassen!“

Das Flüstern hat also eine besonders verstärkende Wirkung. Können wir also flüsternd eine viel stärkere Aussage treffen als normal sprechend oder gar schreiend?

In der Pädagogik wird die gerade formulierte Fragestellung bestätigt. Lautes Sprechen oder gar Schreien verunsichert eher, das Gegenüber macht „zu“ und schützt sich somit vor der beunruhigenden Lautstärke.

Gerade bei kleinen Kindern bewirkt aber das Flüstern in einer vermeintlichen Ermahnungssituation, eine gespannte Konzentration, die zum Innehalten führt. Wenn wir flüstern, erreichen wir unser tierisches und menschliches Gegenüber in einer besonderen Tiefe.

Das Geräusch des Flüsterns ist grundsätzlich ein angenehmes. Es erinnert an Meeresrauschen und erzeugt ein Gefühl von Nähe und Vertrautheit, ja, durch die benötigte körperliche Nähe, um das Gesprochene zu verstehen, entsteht eine regelrechte Intimität.

Wenn unser Gegenüber mit uns flüstert, empfinden wir eine Art konspirative Verbindung, eine Vereinigung, die die Außenwelt ausschließt. Dieses Gefühl der Verbundenheit bewirkt eine Einvernehmlichkeit, die das vom Gegenüber angeforderte Verhalten in der pädagogischen Arbeit eher ohne Widerstand auszulösen vermag als eine lautstarke Ansage. Weniger ist auch in diesem Falle also mal wieder mehr.

Außerdem stellt der Flüsterer keine Bedrohung dar. Jemand, der leise spricht, hat sich unter Kontrolle und benötigt keine Lautstärke, um sich zu beweisen. Das Flüstern zeugt von innerer Stärke, einem Selbstbewusstsein und einer Dominanz, die keiner zusätzlichen Gebärde oder Vertonung bedarf. Diese Dominanz schafft verlässlichen Respekt und klare Aussagekraft.

Das Flüstern gehört zu den bekanntgewordenen ASMR-Techniken. Auch das Flüstern kann sogenannte ´Tingles` auslösen. Man redet von einem entstehenden Kribbeln, welches vom Kopf ausgeht, um dann über den Nackenbereich auf den gesamten Körper überzugehen. Laut unterschiedlicher Studien werden bestimmte Gehirn-Areale angesprochen und das Wohlgefühl löst das Ausschütten des Bindungshormons Oxytocin aus.

Es steht wohl außer Frage, dass wir uns gut und gerne des Öfteren durch unseren Alltag flüstern sollten, denn die Macht der leisen Töne wird wahrlich unterschätzt.

2 Antworten zu „Flüstern – Die Macht der leisen Töne“

  1. Fernschule chW
    Fernschule chW

    Vielen Dank für Ihren Kommentar!
     
    Wir freuen uns sehr über jeden Meinungsaustausch.
     
    Herzlichste Grüße zu Ihnen aus der Fernschule chW.

  2. keksdan

    Liebe Autor:innen,

    sind Sie sich dessen auch wirklich sicher?
    Das ist nicht schlecht gemeint, aber mich stört Geflüster nur. Die entstehenden Töne finde ich dermaßen unangenehm, dass ich im Zug Ohropax brauche und Veranstaltungen nicht in geringsten genießen kann, wenn im Publikum geflüstert wird.

    Ich mache deshalb bei Geflüster zu, nicht bei lauter Ansprache und bitte um Zimmerlautstärke oder versuche verkrampft, die für mich total ekligen Geräusche auszuhalten – in der Hoffnung, dass es schnell vorbei geht.

    Die Außenwelt ist zumindest dann nicht ausgeschlossen, wenn ich gerade zu dieser Außenwelt gehöre, denn man versteht ja doch das ein oder andere. Wer wirklich geheime Inhalte ansprechen möchte, sollte daher lieber bis zuhause warten.

    Trotzdem empfinde ich Flüstern nicht als Selbstbewusstsein, unbedrohlich oder gar „innere Stärke“, eher als ein Nicht-offen-zum-Gesagten-stehen-Wollen, falls die Leute wirklich denken, nicht von Außenstehenden verstanden werden zu können.

    Freundliche Grüße

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