Validation: Wertschätzung (in) der Demenz

Unter Validation versteht man eine Kommunikationsmethode, die im Umgang mit Demenzbetroffenen angewandt werden kann. Das Besondere an der von der amerikanischen Gerontologin Naomi Feil 1990 nach Europa gebrachten Validationstechnik ist die Betrachtungsweise von Demenz. Den veränderten Gemüts- und Verhaltensweisen Demenzbetroffener wird mit Wertschätzung und Achtsamkeit begegnet. Ziel ist es, durch non-verbale und verbale Begleitung das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln, um das Selbstwertgefühl der Betroffenen zu wahren oder wieder herzustellen.

Das Fundament der Validation orientiert sich dabei an dem psychosozialen Stufenmodell des Psychoanalytikers Erik Erikson.

Die Grundannahme dieses Modells besteht darin, dass jeder Mensch vom Säuglingsalter über die frühe Kindheit, die Kindheit und die Pubertät, bis hin zur Jugend, dem frühen Erwachsenenalter, dem Erwachsensein und dem hohen Erwachsenenalter 8 aufeinander aufbauende Lebensstufen zu bewältigen hat. Die Bewältigung sieht vor, dass in jeder der Lebensstufen eine Balance zwischen den eigenen Bedürfnissen und der Lebensanforderungen bzw. der Ansprüche der Umwelt hergestellt werden sollte.

Laut Erikson enthält jede der 8 Lebensphasen einen Konflikt, den es zu bewältigen gilt. Die Bewältigung der Konflikte bezeichnet Erikson als Entwicklungsaufgaben zur Bildung unserer Identität.  Schafft man eine Entwicklungsaufgabe nicht oder nur unzureichend, hat dies Auswirkungen auf die nachfolgenden Lebensphasen und auf unser Identitätsgefühl. Dabei geht es nicht um das direkte Lösen der Konflikte, sondern um die Art und Weise des Umgangs mit den sich stellenden Herausforderungen. Die von uns unbearbeiteten Konflikte tragen wir also unser Leben lang mit uns.

Erikson beschreibt folgende Konflikt-Merkmale der jeweiligen Lebensstufen bzw. die daraus resultierenden Verhaltensformen 

Die 8 Stufen nach Erik Erikson:

  1. Stufe: Ur-Vertrauen vs. Ur-Misstrauen
  2. Stufe: Autonomie vs. Scham und Zweifel
  3. Stufe: Initiative vs. Schuldgefühl
  4. Stufe: Werksinn vs. Minderwertigkeitsgefühl
  5. Stufe. Identität vs. Identitätsdiffusion
  6. Stufe: Intimität und Solidarität vs. Isolation
  7. Stufe: Generativität vs. Stagnation und Selbstabsorption
  8. Stufe: Ich-Integrität vs. Verzweiflung

Die 8. und damit letzte Stufe des Stufenmodells nach Erikson beinhaltet die Entwicklungsaufgabe der Ich-Integrität. Die Entwicklungsaufgabe der 8. Stufe ist Bilanz zu ziehen mit dem hinter uns liegenden Leben, um ´aufgeräumt` und angstfrei dem Lebensende entgegentreten zu können. Es geht also am Ende darum, unser Leben als ganzheitliche Einheit, als in sich geschlossenes Kapitel, loslassen zu können. Die von Demenzbetroffenen von der Realität oftmals ´ver-rückten` Gedanken und Handlungsweisen werden in der Validation neben Veränderungen des Gehirns darin begründet, dass sie bestimmte Lebensphasen-Konflikte nicht oder nur unvollständig verarbeitet haben. Die abschließende und zufriedenstellende Bilanz am Lebensende kann so nicht hinreichend gezogen werden. Die Reise zurück in längst vergangene Zeiten geschieht also aus dem Grund, die noch bestehende ´Unordnung` aufzulösen.  Erfährt der Begriff der Weisheit im Alter so nicht eine beeindruckende, neue Inhaltsstärke?

Die Basis der Validationstechnik ist das Abholen und das Begleiten der Demenzbetroffenen in ihrer individuell er- und gelebten Wahrheit, und eben nicht die rationale Belehrung über die eigentlich vorherrschende Realität. Die Betroffenen werden verständnisvoll und warmherzig auf Ihrer Reise zur inneren Ordnung begleitet. Dabei sind verbale und non-verbale Kommunikationsformen und oftmals sanfte Berührungen, die ein tief verankertes Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit wieder hervorrufen, das Wesentliche dieser besonderen Wegbegleitung. Das entstehende Gefühl der Geborgenheit erleichtert den Aufarbeitungsprozess der Demenz und verringert mögliche aus der Verzweiflung entstandene Aggressionen.

Der Grundgedanke der Validation lässt sich auf alle unsere liebsten älteren Mit-Wesen übertragen – ob Mensch oder Tier. Die Betrachtungsweise, dass das hohe Alter die Phase der Lebensbilanz darstellt und diese Lebensstufe der Ordnung schaffenden Vorbereitung dient, angstfrei den nahenden Tod zu akzeptieren, löst eine tiefe Wertschätzung und Anerkennung, wenn nicht sogar Bewunderung aus, und bewirkt einen wohlwollenden, annehmenden und zutiefst warmherzigen Umgang mit den manchmal sonderbaren Eigenarten unserer liebsten, lebenserfahrenen menschlichen und tierischen Seniorinnen und Senioren.

Wäre es schließlich nicht auch für uns angenehmer, wenn man uns bei einer für uns lebenswichtigen Reise an die Hand nimmt und beschützend begleitet und sie uns nicht versucht auszureden?

Sind also auch wir unseren liebsten Oldies, ob nun (der Realität) ver-rückt oder nicht, die Reisebegleiter zum abschließenden, ganzheitlichen, inneren Frieden!

Hände greifen ineinander
Hund liegt entspannt in seinem Körbchen
ältere Dame mit Hund im Arm

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